In Zeiten von Corona…..

Es ist eine merkwüdige Zeit. Ende Dezember war ich im LWL Museum für Archäologie in Herne in der Pest-Ausstellung . Eine spannende Ausstellung. Ich hätte nicht gedacht, daß wir nur kurze Zeit später auch hier in Europa eine Pandemie erleben würden. Es ist daher an der Zeit, ein paar Zeilen zu diesem Thema zu schreiben.

Die persönliche Ebene
Wer über einen längeren Zeitraum meine Tweets und/oder Blogbeiträge gelesen hat weiß, daß ich praktisch keine privaten Kontakte mehr zu Menschen habe. Das sind eben die persönlichen Spuren der letzten beiden Jahre. Ich bin tatsächlich nur für mich selbst verantwortlich, andere Menschen gibt es in meinem privaten Umfeld nicht. Insofern fällt mir der Gedanke des „Social Distancing“ sehr leicht. Da ist ja nichts, was ich ändern muß. Mit Anfang 50 ohne (bekannte) Vorerkrankungen ist mein persönliches Risiko eines schweren Verlaufs vermutlich eher gering. Aber natürlich gibt es dafür keine Garantie. Der Gedanke an den Tod bereitet mir jedoch keine Angst. Wenn es denn „jetzt“ sein soll, dann ist das halt so. Was ich für mich persönlich allerdings nicht in Ordnung fände – wenn ich das Risiko für Euch und Eure Angehörigen und Freunde erhöhe. Es ist eben auch meine Verantwortung mit dazu beizutragen, daß es Euch und Euren Angehörigen und Freunden „gut“ geht. Ich habe daher keine weiteren Theaterkarten gebucht, keine Ausstellungen besucht und auch die Nutzung des ÖPNV auf notwendige Wege beschränkt. Mit diesem Verzicht versuche ich dazu beizutragen, die Ausbreitung zu verlangsamen („flatten the curve“). Ja, für mich ist das ein Verzicht, denn Theaterbesuche waren in den letzten beiden Jahren mein größtes Vergnügen. Gleichzeitig bin ich dankbar, daß ich so viele schöne Aufführungen und Veranstaltungen erlebt habe und ich freue mich darauf, das auch irgendwann wieder machen zu können. Es ist meine Entscheidung und es ist für mich so vollkommen in Ordnung. Ich werde jetzt also endlich mal richtig aufräumen (wer es glaubt ….) und die vielen ungelesenen Bücher lesen (schon eher……).

Die gesellschaftliche Ebene
Ich habe die Diskussionen, Tweets, Beiträge etc. rund um das Thema Coronavirus sehr intensiv verfolgt. Nicht aus Panik, nicht einmal wirklich aus Angst, eher aus großem Interesse. Manche Äußerungen haben mich irritiert und geärgert (oft, weil es stark vereinfachende Äußerungen waren), manche Informationen waren schwer verständlich, manche Beiträge fand ich sehr hilfreich. Es ist tatsächlich unheimlich schwierig, das richtige Maß zwischen notwendiger Vorsicht und maßloser Übertreibung zum jeweils richtigen Zeitpunkt zu finden. Daher bin ich für die vielen Quellen dankbar, die die notwendigen Informationen in einer für mich verständlichen Form aufbereiten. Beispielhaft möchte ich hier die Beiträge von Spektrum (danke an @fischblog) und die mittlerweile auch als Transkript verfügbaren Gespräche des NDR mit Christian Drosten erwähnen. Es ist gut und hilfreich, daß Menschen sich die Zeit nehmen, ihr Wissen mit anderen Menschen zu teilen.

Was ich tatsächlich schwierig finde ist der unterschiedliche Umgang mit und das unterschiedliche Verständnis von „Verantwortung“. Ich habe mich an die Definition von Schmid erinnert, die mir im Rahmen der Mediationsausbildung begegnet ist. Verantwortung bedeutet danach Antworten zu geben und zwar auf der Ebene der Person als „antworten wollen“ auf der Basis der eigenen Werte und „antworten können“ auf der Basis der Qualifikation, auf der Ebene der Organisation als „antworten dürfen“ (Ausstattung – zum Beispiel mit Befugnissen) und „antworten müssen“ als Kriterium der Zuständigkeit. Gerade auf der gesellschaftlichen Ebene sind die Kriterien Zuständigkeit und Befugnisse hoch interessant. Möglicherweise entdecken wir jetzt Lücken und Unklarheiten in unserer Gesetzgebung. Das sind Themen, die uns aus rechtlicher Sicht „danach“ sicherlich noch lange beschäftigen werden. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten und Befugnisse machen manches schwierig und zeitaufwändig. Das empfinde ich aus der Beobachungsperspektive schon manchmal als „nervig“. Andererseits ist es wahrscheinlich leicht, etwas zu fordern oder vorzuschlagen, wenn man selbst nicht die Verantwortung für die Entscheidung trägt. Ich bin daher für die vielen Menschen dankbar, die sich im Moment mit diesen Themen auseinandersetzen und sich bemühen, gute Entscheidungen zu treffen.

Das bringt mich zum Thema „Wohlwollen“. Ich war gestern positiv überrascht als ich ein paar Minuten bei Phoenix im Livestream die Regierungsbefragung von Herrn Spahn im Bundestag verfolgte. Die Arbeit von Herrn Spahn und vom RKI wurde mehrfach positiv erwähnt. Ich finde das richtig und wichtig. Es gibt zig Themen, bei denen ich mit den Ansichten von Herrn Spahn überhaupt nicht übereinstimme und über diese Themen (zum Beispiel Ausstattung von Krankenhäusern/Pflegeheimen, Umgang mit dem Thema Sterbehilfe) sollte man auch „streiten“, aber ich sehe auch, daß Herr Spahn sich wirklich sehr bemüht, im Rahmen seiner Befugnisse und Zuständigkeiten gute Arbeit zu leisten. Das ist in der aktuellen Situation schwierig genug. Ob das, was in Zusammenarbeit mit den Länderbehörden und lokalen Gesundheitsbehörden gemacht und entschieden wird, ausreicht, werden wir erst „hinterher“ wissen.

In dem Zusammenhang finde ich den Umgang mit der Zahl 1000 spannend. Jede Zahl für Treffen oder Veranstaltungen erscheint mir nach dem, was ich bisher gelesen habe, willkürlich. Es ist eher eine Frage der Wahrscheinlichkeit und natürlich auch des Glücks (oder Unglücks), ob beziehungsweise wieviele am Virus erkrankte Menschen teilnehmen. Das Schwierige ist ja, daß viele Menschen das Virus in sich tragen können ohne es zu wissen/zu merken. Das kann bei 900 Menschen genauso problematisch sein wie bei 1000. Letztlich hängt es damit zusammen, wie eng man mit anderen Menschen „zusammenkommt“ – gerade in kleineren Theatern empfinde ich das zum Beispiel oft eher als Problem als in größeren Häusern. Eine Begrenzung auf „nur“ 999 Besucher/Zuschauer, die abgezählt werden, mag zwar zahlenmäßig richtig sein, den Aspekt der Verantwortung beantwortet sie für mich nicht. Deshalb bin ich auch dankbar, daß zum Beispiel die Stadt Düsseldorf alle Aufführungen in den städtischen Theatern abgesagt hat, obwohl im Schauspielhaus im großen Haus zum Beispiel nur 720 Plätze sind (Meldung auf der Startseite des Schauspielhauses Düsseldorf). Das ist für mich ein gutes Zeichen, daß Verantwortung wahrgenommen und gelebt wird. Bei vielen anderen Veranstaltern und Häusern lese ich das auch. Gleichzeitig ist mir auch bewußt, daß dies bei vielen Veranstaltern und Häusern (gerade auch bei den kleineren und rein privat „organisierten“) zu großen Einnahmeausfällen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen wird. Aber dazu später.

Mein besonderer Dank gilt in dieser Situation allen, die trotz eigener persönlicher Gefährdung, tagtäglich – ohne Möglichkeit des Rückzugs in ein Homeoffice – ihre Arbeit vollbringen. Allen voran natürlich die Menschen im (ohnehin schon überlasteten) medizinischen Bereich, aber auch alle die sich zum Beispiel um unsere Versorgung (zum Beispiel mit Lebensmitteln) und um unseren Schutz (Feuerwehr, Polizei) kümmern, die unser „normales“ Leben so weit wie möglich aufrecht erhalten!

Die wirtschaftliche Ebene
Einerseits führt jedes Zögern bei notwendigen Einschränkungen zu mehr Kranken (und damit auch mehr Toten), andererseits hat jede einschränkende Maßnahme auch gravierende wirtschaftliche Folgen. Ich selber kann noch nicht absehen, ob beziehungsweise in welchem Ausmaß mich diese Situation treffen wird. Nach den letzten persönlich schwierigen Jahren sind meine Reserven sehr gering. Andererseits ist es bei mir in dem Bereich bisher immer irgendwie „gut“ gegangen. Ich hoffe, daß es „irgendwie“ auch diesmal so sein wird.
Zu den wirtschaftlichen Folgen bei Unternehmen gab es schon Vorschläge. Was aus meiner Sicht bisher komplett unter den Tisch fällt ist der Umgang mit mit den vielen Selbständigen, bei denen Aufträge wegfallen (zum Beispiel wegen Ausfall von Workshops/Trainings, Konferenzen) und dem ganzen Kunst- und Kulturbereich und den dort eben nicht abgesicherten Kreativen/Künstlern. Es ist wichtig, daß wir als Gesellschaft hier Lösungen entwickeln, die uns allen ein gutes Überleben in dieser schwierigen Situation erlauben. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Lösungen tatsächlich aus der Politik kommen werden. Dort wird meines Erachtens der Fokus gerade sehr stark auf die größeren Unternehmen gelegt. Das bringt mich zum nächsten Punkt – nämlich zu der Frage, was es an Ideen und Entwicklungen gibt, die wir trotz aller Einschränkungen, anstoßen oder gar umsetzen können.

Die „kreative“ Ebene
Gerade in den letzten Tagen habe ich den Start einiger Aktionen/Maßnahmen gesehen, die sich mit den Problemen und Beschränkungen, mit dem Verlust der Kontakte durch Social Distancing und den Folgeproblemen beschäftigen. Beispielhaft für die Organisation des Alltags (Einkaufen, Gespräche etc) sind bei Twitter Tweets mit den Hashtags #Coronahilfe und #NachbarschaftsChallenge. Jede/-r kann dort anbieten, was er/sie leisten könnte oder was er/sie braucht. Das ist gelebte Gemeinschaft und Solidarität in Zeiten des phyischen Kontaktverzichts. Danke an @Natascha_Strobl, die frühzeitig dieses Thema angeregt hat und die jetzt (weil ihr Kind zu einer Risikogruppe gehört) sich selber in „freiwilliger Quarantäne“ befindet, um das Leben ihres Kindes zu schützen.

Gleichzeitig erlebe ich, daß einige Organisationen Veranstaltungen oder Wissen, kostenfrei zur Verfügung stellen. So bietet die Plattform Future Learn zum Beispiel einen kostenfreien Onlinekurs in englischer Sprache zum Thema „Covid-19“ an, der am 23.03.2020 startet. Und morgen Abend kann man die Berliner Philharmoniker mit Sir Simon Rattle kostenlos in der Digital Concert Hall erleben.
An anderen Orten werden Tipps zu Livevideoformaten und Onlinelearning gesammelt – gerade auch gut für diejenigen, die zumindest einen Teil der Veranstaltungen/Workshops in die digitale Welt „übertragen“ können. Veranstaltungen der ausgefallenen Leipziger Buchmesse und auch anderer Konferenzen werden zum Teil als Videos aus dem Home-Office gestreamt.

Technisch ist heute viel möglich. Was mir fehlt? Der Überblick über die „Orte“ und „Zeiten“, wo solche Veranstaltungen stattfinden. Es sind immer einzelne Tweets, in denen ich Hinweise auf solche Veranstaltungen finde. Was mir auch fehlt, die Möglichkeit, kleinere Veranstalter/Einzelne mit kleinen Beträgen zu unterstützen. Ein gedankliches Beispiel: wenn jemand etwas für mich Wertvolles kostenlos im Netz zur Verfügung stellt und ich es mir finanziell leisten kann, dann bin ich gerne bereit, einen Beitrag zu leisten. Aus diesem Grund bin ich zum Beispiel bei „taz zahl ich“ mit dem Mindestbetrag dabei – eben weil ich es gut finde, daß ich mit meinem kleinen Beitrag anderen Menschen die Möglichkeit geben kann, Artikel weiterhin kostenfrei auf der Webseite zu lesen. Könnte man das nicht auch ähnlich für den Kulturbereich machen? Im Sinne von „jeder Euro zählt“?

Die spannende Frage für mich ist daher: welche neuen Angebots- und Bezahlmodelle für Kultur, Kunst, Wissen und/oder Dienstleistungen können wir entwickeln? Wie können wir dank der technischen Möglichkeiten aus der Krise heraus neue Modelle und Ideen entwickeln? Wie können wir aus einem Moment des „Shutdowns“ und des (vermeintlichen) „Stillstands“ eine kreative also ideenschaffende virtuelle Umgebung schaffen, in der wir neue Kontakte schließen und Neues angstlos ausprobieren? Ja, wir können auch da Fehler machen und scheitern. Das ist mir oft genug passiert. Aber lieber versuchen und scheitern als komplette Untätigkeit!

Ihr habt Ideen? Ihr kennt Initiativen? Ich freue mich über das, was wir in dieser schwierigen Zeit gemeinsam anregen und bewegen können!

Kulturliste 2020

18.01.2020: Spiegel im Spiegel – Melanchthonkirche in Düsseldorf ***
Sehr liebevoll gestaltete Veranstaltung mit Texten, Bildern und Musik in der Düsseldorfer Melanchthonkirche, die ich im Düsseldorfer Veranstaltungskalender für Januar entdeckt habe. Die drei Akteure haben schöne Texte – der Tempel der 1000 Spiegel, Gedichte von Jandl, Hesse und Fried, einer Nacherzählung von Ovids Narziß und Echo und Schnweewittchen – vorgetragen beziehungsweise vorgelesen (sehr gute Rezitation!). Zwischen den Texten gab es thematisch passende Musik – einen Spiegelkanon von Bach, ein Menuett mit Spiegelelementen von Haydn, etwas zum Thema „Echo“. Beim Spiegelkanon und beim Menuett wurde sogar „gezeigt“, ob gerade vorwärts oder rückwärts gespielt wird – sehr faszinierend. Unterlegt waren Text und Musik durch schöne Bilder und Fotos, die auf einer großen Wand gezeigt wurden. Übrigens wurde allen Besuchern auch ein kleiner Handspiegel geschenkt – im Deckel dieses Handspiegels steht in Spiegelschrift „Lieblingsmensch“. Sehr viele schöne Details, die mich noch stark über das Thema „Spiegel“ nachdenken lassen.

15.01.2020: Bettina von Arnim: Letzte Liebe. Das unbekannte Briefbuch – Goethe-Museum Düsseldorf ***
Zufällig habe ich durch einen Tweet des Goethe-Museums von dieser Veranstaltung erfahren und bin hingegangen. Ich wußte vorher, daß Bettina von Arnim mit Goethe in Verbindung stand als sie jung war, daß sie die Schwester von Clemens Brentano und Ehefrau von Achim von Arnim war, die ich mit „Des Knaben Wunderhorn“ in Verbindung brachte und daß sie selber auch Bücher geschrieben hat („Die Günderode“ steht ungelesen im Regal …..). Der Abend brachte eine ganz andere „Bettina von Arnim“ zum Vorschein. Eine Frau, die jenseits der 50 ist, sich verliebt, diese Liebe in einer für die damalige Zeit undenkbaren Art sogar zugibt und den Menschen in den sie verliebt ist anderen Menschen (unter anderem den Gebrüdern Grimm) vorstellt, die ihr wichtig sind. Es war ein Abend, der sie als Netzwerkerin und als positive Beeinflusserin zeigte. Es war vor allem ein Abend, der mit einem glänzenden Vortrag von Prof. Dr. Wolfang Bunzel wirklich Lust machte, das Buch irgendwann zu kaufen und zu lesen. Schön, daß er diese Briefe entdeckt und in einem Buch herausgegeben hat.

12.01.2020: Land des Lächelns – Essen ***
Wunderbare Aufführung der Operette „Land des Lächelns“, die auf dem Libretto von Viktor Léon „Die gelbe Jacke“ beruht und erst nach einer Bearbeitung wirklich erfolgreich wurde. Sehr gut fand ich die Einbettung der Geschichte von Lisa und Sou-Chong in das aufziehende dritte Reich, was zum Entstehungszeitpunkt der Operette (1929 als Land des Lächelns in Berlin uraufgeführt). Der Rahmen ist im Grunde genommen eine Theater- oder Revuevorstellung im Berlin der späten 20er Jahre, auf der Bühne findet dann die Geschichte von Lisa und Sou-Chong statt. Mir hat die Aufführung sehr gut gefallen!

08.01.2020: Der Stumme Diener – Essen **
Stücke von Harold Pinter sind ja immer ein bißchen „merkwürdig“. Das gilt auch für dieses Stück. Vielleicht hätte ich den Text vorher lesen sollen, so fehlte mir manchmal ein bißchen das Verständnis, was tatsächlich zum ursprünglichen Stück gehört und was Inszenierung ist. Die Lektüre werde ich bestimmt irgendwann nachholen …..

04.01.2020: Konzert in der St.-Remigius-Kirche in Bonn ** und Beethoven-Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle ***
Dazu habe ich hier etwas geschrieben – den Besuch der Ausstellung kann ich nur empfehlen.

02.01.2020: Else Lasker Schüler-Ausstellung** und Oskar Schlemmer-Ausstellung in Wuppertal **
Ausstellungen in Wuppertal verpasse ich oft, da ich immer meine, es sei ja noch so viel Zeit da ….. Diesen Fehler wollte ich bei den beiden Ausstellungen nicht machen (sie laufen ja nur noch bis Mitte Februar), also war ich direkt Anfang Januar dort.
Else Lasker Schüler ist natürlich eine sehr bedeutende Wuppertalerin – sie wurde in Elberfeld geboren und hat hier auch ihre Jugend verbracht. Mir ist sie allerdings fremd geblieben – auch in der Ausstellung. Vielleicht liegt es daran, daß ihr Leben so unwahrscheinlich bunt war. Trotzdem war es für mich ein guter Ausstellungsbesuch. Ich habe viel über diese für mich so fremde Künstlerin gelernt, über ihr Leben, ihre Kontakte und ihr (auch wirklich buntes) Werk.
Die Schlemmer-Ausstellung habe ich direkt danach besucht. Sehr interessant fand ich die Verbindung zu Dr. Kurt Herberts, der in Wuppertal ein Unternehmen (Lacke und Farben) hatte. Dr. Herberts konnte auch während der NS-Zeit – obwohl er nicht in der Partei war – verfemte Künstler einstellen. So kam Oskar Schlemmer nach Wuppertal. Das Lackballett war mir Anfang 2019 schon begegnet – es gab eine Vorstellung in Düsseldorf, das Lacklabor und das Lackkabinett (eine Art zusammensetzbares „Museum“) kannte ich noch nicht und fand ich sehr spannend.

01.01.2020: Neujahrskonzert in Düsseldorf-Urdenbach ***
Dazu hatte ich hier schon etwas geschrieben – ein schönes Konzert in einer schönen Kirche.

Kulturliste 2019

Lebensfreude bedeutet für mich nicht nur Lesen sondern auch das Besuchen von Theateraufführungen, Konzerten, Museen und Ausstellungen. Leider komme ich nicht immer dazu, über die einzelnen „Ereignisse“ etwas zu schreiben und Twitter nutze ich dafür nur noch selten, daher werde ich hier jetzt zusammenfassen, was ich 2019 so gemacht habe…..
Ähnlich wie bei meiner Leseliste gilt hier auch folgende Bewertung:
Bewertung
*** sehr gut
** gut
* in Ordnung
kein Stern kein Kommentar

28.12.2019: Pest – Eine Spurensuche – Ausstellung im LWL-Museum für Archäologie in Herne ***
Eine sehr interessante Ausstellung über die ich unbedingt etwas ausführlicher schreiben sollte. Der Besuch ist wirklich empfehlenswert!

26.12.2019: Der Nußknacker – Ballett im Aalto-Theater in Essen ***
Ein wunderschönes Weihnachtserlebnis!!

23.12.2019: Hänsel und Gretel – Aalto-Theater in Essen ***
Meine persönliche und sehr schöne Einstimmung auf die Weihnachtszeit (und daß, obwohl ich gar kein Opernfan bin ……).

22.12.2019: Weihnachtsoratorium in Essen-Werden mit dem Philharmonischen Chor ***
Sehr schwungvolle und liebevolle Aufführung des Weihnachtsoratoriums. Es hat sich gelohnt, dafür den Weg im strömenden Regen auf sich zu nehmen (ich habe mir den Nachmittag allerdings auch mit einem Stück Himbeertorte in einem Café in Werden versüßt).

Mit Marmotte auf den Spuren von Louis

Heute war ich in Bonn – ein Tag Beethoven. Erst ein Orgelkonzert in der St. Remigius-Kirche (an Beethovens Taufstein) unter anderem mit einem Werk von Beethoven selbst und von seinem Lehrer Haydn. Danach die Beethoven-Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle. Man kann sich also denken, wer „Louis“ ist. Aber Marmotte?

Meine erste Begegnung mit Marmotte
Wenn man die Ausstellung betritt, sieht man links eine Darstellung der Kategorien der Ausstellung – Beethoven als Bürger, als Musiker und das Geschehen in der Welt an sich zur gleichen Zeit. Direkt vor einem ist eine große Zeitachse, die zunächst die Zeit in Bonn umfaßt. Im selben Jahr als Beethoven in Bonn zur Welt kam brach zum Beispiel James Cook zu seiner Reise nach Australien auf. Ich fand das spannend.
Auf der rechten Seite befindet sich Kleidung der Zeit (ein englisches Kleid und ein französischer Anzug mit „Culottes“). Und dann erspähte ich „Marmotte“. Die Zeichnung eines Murmeltiers mit dem (für Kinder bestimmten Text), daß das Murmeltiers „Marmotte“ heißt und ein guter Freund von Beethoven war. Meine Neugier war geweckt. Glücklicherweise enthielt der Audioguide sowohl die Erwachsenen- als auch die Kinderversion…..

Wußtet Ihr, daß Goethe ein Gedicht über Marmotte (das französische Wort für ein Murmeltier) geschrieben hat? Und daß Beethoven dieses Gedicht vertont hat? Hintergrund war laut Audioguide wohl, daß arme Kinder früher Murmeltiere dressiert haben, um mit den Vorführungen ein bißchen Geld sammeln zu können. Das Lied wurde auch gesungen, ich kannte es nicht.

Marmotte erzählt….
In der Audioguidefassung für Kinder ist Marmotte ein fürchterlich müdes Murmeltier, das Beethoven (den es fast immer „Louis“ nennt) natürlich persönlich kennt und einem Kind Fragen beantwortet. Die Stationen an denen Marmotte etwas erzählt sind mit einem Murmeltier mit Zahl gekennzeichnet. Zusätzlich stellt Marmotte an manchen Stationen „Quizfragen“ oder auch einfach Fragen zum Nachdenken. Wirklich schön gemacht. So schön, daß ich im ersten richtigen Raum der Ausstellung erst einmal stehen blieb und mir – mit einem verzückten Lächeln – alle 18 Stationen anhörte. Der für den Raum zuständige Mitarbeiter beäugte und umrundete mich skeptisch – ich stand ja einfach im Raum, ging nicht weiter und lächelte vor mich hin….
Also mein erster Tipp – unbedingt auch Marmotte folgen (wobei ich es einfacher fand erst alles von Marmotte zu hören und dann nach und nach die Stationen für die Erwachsenen abzulaufen).
Schön waren Fragen wie zum Beispiel beim Papiertheater „was würdest Du hier spielen“?
Sehr schön war auch, daß einige Stücke von Beethoven sehr schön einbezogen waren – so zum Beispiel die Musik der 6. Symphonie zum Bild „Elfenreigen“. Diese Art der Einbeziehung der Musik hat mich auch bewegt, die Hörstationen zu nutzen.

Zu sehen und zu hören…
Es war eine gute Mischung aus Bildern mit Bezug zu Beethoven und seiner Zeit, Informationen zur Entstehung der wichtigsten Werke und Hörstationen mit diesen Werken. Nachteil bei den Hörstationen: die Stücke (immer zwei oder drei, die man per Knopfdruck auswählt) sind zum Teil relativ lang und man kann sie zwischendurch nicht unterbrechen, außerdem gibt es immer nur fünf Plätze. Das war heute nur im letzten Raum ein Problem, bei mehr Besuchern wird es vermutlich schwierig….

Für mich waren es schöne musikalische Entdeckungen. Mich hat sowohl der Ausschnitt aus dem Ballett Prometheus als auch die Musik zu Goethes Egmont begeistert – beides kannte ich (wie so viele Werke von Beethoven und anderen Komponisten) nicht. Schön waren auch die vielen kleinen Anekdoten, die im Audioguide erwähnt wurden (daß Beethoven zum Beispiel lieber die Musik für ein Stück von Schiller komponiert hätte, man ihn aber mit Goethes Egmont beauftragte ….).

…. anzufassen….
Die meisten Exponate darf man natürlich nicht anfassen. Aber es gibt ein paar Ausnahmen – zum Beispiel die Kopie der Totenmaske, ein Modell einer Klaviertaste und dann gab es auch noch Beethovens Leibgericht auf einem Abreißblock. Es war schon etwas merkwürdig, die Maske anzufassen….

… und zeitlich einzuordnen
Ich habe mir bisher nur selten über die politischen Geschehnisse während der Lebenszeit eines Komponisten Gedanken gemacht. Ja, mein Fehler. Die Ausstellung hat das aber auf sympathische Weise einbezogen. Angefangen bei der Tatsache, daß Beethoven aufgrund der französischen Besetzung des Rheinlandes nicht vom Studium in Wien zurückkehren konnte, über die Tatsache, daß er Napoleon zunächst als positiv empfand (Napoleon sozusagen als „Prometheus“) bis zum Wiener Kongress, den er mit Musik bereicherte. Spannend wie sich die Lebenslinien wichtiger Menschen hier plötzlich überschneiden, denn ich mußte sofort an die Humboldt-Ausstellung in Berlin und Wilhelm Humboldts Tätigkeit beim Wiener Kongress denken.

Und sonst so….
Schön waren auch die „Fun Facts“ – die Tatsache, daß er nur schlecht rechnen konnte, seinen Kaffee immer mit genau 60 Kaffeebohnen gemacht haben wollte und sein Leiden unter seiner zunehmenden Taubheit, die damals nicht angemessen behandelt werden konnte. Auch Beispiele wie Normalhörende seine Musik hören und wie er sie wohl gehört haben muß (also wie wenig) fand ich sehr eindrucksvoll.
Insgesamt habe ich vier Stunden in der Ausstellung verbracht – ziemlich viel Zeit, obwohl es gar nicht voll war. Nur im letzten Teil waren die Hörstationen so belagert, daß ich verzichtet habe.
Insofern: Wer Musik mag und sich für Beethoven interessiert sollte diese liebevoll und gut gemachte Ausstellung nicht verpassen.

Winterzeit – Museumszeit – 04.01.2020

Heute schrieb jemand auf Twitter, daß Regenzeit für ihn Lesezeit sei. Ja. Aber auch nein. Es gibt eigentlich keine Jahreszeit oder Wetterlage, die für mich nicht Lesezeit ist. Oft ist die Frage eher, ob ich genug innere Ruhe habe, um zu lesen. Die Jahre 2017 und 2018 waren da schwierig. Was aber immer stimmt: Die Winterzeit ist für mich sehr stark eine Museumszeit. Gerade in den etwas ruhigeren Tagen nach den Feiertagen schlage ich gerne zu: letzten Samstag war ich in Herne in der Pest-Ausstellung (sehr interessant), am Donnerstag aufgrund der abendlichen Öffnungszeiten im Wuppertaler Von Der Heydt Museum in der Ausstellung zu Else Lasker Schüler und dann noch in der Ausstellung zu Oskar Schlemmer (beide auch interessant) und heute das Highlight dieses Winters – die Beethoven-Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn (sehr sehenswert, dazu schreibe ich separat noch etwas!).

Was mir heute (im mittäglichen Orgelkonzert in der Bonner St. Remigius-Kirche auch auffiel – es gibt keine Menschen, die mich und das was ich mag/nicht mag wirklich kennen. Selbst Menschen, die mich „eigentlich“ seit vielen Jahren „kennen“, lagen im letzten Jahr ziemlich oft völlig daneben. Eine merkwürdige Erkenntnis.

Aber für heute soll das reichen.

Was ich Euch für 2020 wünsche….

Es ist die Zeit der guten Wünsche und ich möchte aufschreiben, was ich Euch für 2020 wünsche!

Ich wünsche Euch ein sorgenfreies Jahr.
Ich wünsche Euch Gesundheit (und wo das nicht möglich ist, die bestmögliche Betreuung, wenn möglich Genesung und hohe Lebensqualität).
Ich wünsche Euch, daß Ihr die Nähe von Menschen ohne Verletzungen erleben könnt.
Ich wünsche Euch, daß es Menschen gibt, denen Ihr wichtig seid und die Euch auch wichtig sind.
Ich wünsche Euch, daß es Menschen gibt, mit denen Ihr schweigen aber auch sprechen könnt.
Ich wünsche Euch, daß Menschen Euch zuhören und daß Ihr Menschen zuhört.
Ich wünsche Euch, daß Ihr schöne, fröhliche und angstfreie Begnungen mit Menschen erlebt.
Ich wünsche Euch, daß Ihr Euch irgendwo zugehörig fühlen könnt.
Ich wünsche Euch, daß Ihr gute Ideen habt und sich daraus schöne und spannende Projekte und Entwicklungen ergeben.
Ich wünsche Euch, daß Ihr schöne Momente – egal welcher Art – erleben und genießen könnt.
Ich wünsche Euch, daß Ihr am Ende des Jahres gerne und mit einem Lächeln an das Jahr 2020 zurückdenkt.
Ich wünsche Euch schöne Erinnerungen.

Alles Gute für 2020!

2019 – ein Rückblick

Das Jahr 2019 ist fast vorbei. Nur noch ein Tag und ein paar Stunden, dann liegt ein Jahr hinter mir, auf das ich mich eigentlich gefreut hatte und das nach 2017 und 2018 anders verlief, als ich es damals gedacht hatte (damals konnte ich noch „gehofft“ sagen). Die kurze Zusammenfassung meines persönliches Jahres (es geht mir nur um die private Ebene): kaum Menschen, viel Kultur.

Es gab in jedem Monat ein paar „Highlights“ und die möchte ich kurz zusammenfassen.

Januar 2019
Der Höhepunkt des Monats Januar war mein Besuch der Museumsnacht in Basel und auch die Lesezeit auf der Zugfahrt nach und von Basel. Basel selbst hat mir als Stadt gut gefallen, ich habe schöne alte Ecken entdeckt und während der Museumsnacht spannende Dinge erlebt und gehört. Besonders im Münster habe ich viel Zeit verbracht – ein Ort, der mich sehr angesprochen hat.
Auf der Rückfahrt von Basel habe ich – endlich – das Buch von Arnold Retzer gelesen – Miese Stimmung – Eine Streitschrift gegen positives Denken. Es war eine gute Zuglektüre und ein guter Zeitpunkt für diese Lektüre. Mir ist damals klar geworden, daß „Hoffnungslosigkeit“ durchaus sinnvoll sein kann, nämlich da, wo Hoffnung (zum Beispiel die Hoffnung auf menschliche Nähe und auf Beziehungen zu Menschen) einfach Selbstbetrug wäre. Das Lesen hat mir erlaubt, mich von dem Gedanken „Du mußt es nur immer wieder probieren, dann wird es irgendwann gut“ zu entfernen und Treffen/Verabredungen mit Menschen einfach abzulehnen. Das hat es mir letzten Endes auch leichter gemacht, die kleinen Verletzungen und Ablehnungen des Jahres 2019 besser zu überstehen.

Februar 2019
Ich könnte einfach „Düsseldorf“ schreiben. Ich habe im Februar und auch im März unwahrscheinlich viel Zeit in Düsseldorf im Theater verbracht, viele wunderbare Aufführungen gesehen und auch viel gelesen, um auf diese Aufführungen vorbereitet zu sein. Es war wunderbar, daß es so viele unterschiedliche und interessante Aufführungen gab – ich habe das sehr genossen!

März 2019
Von Düsseldorf nach Essen ….. In einem Pausengespräch im Central in Düsseldorf hörte ich zufällig jemanden über „Biographie. Ein Spiel“ von Max Frisch sprechen und wie der Zufall es wollte, wurde dieses Stück im März in Essen gespielt. Ein spannender Text und eine sehr gelungene Aufführung. Die Frage, ob beziehungsweise was ich in meinem Leben ändern würde, ist schon sehr spannend. Vielleicht würde ich mich einfach eher von den Menschen zurückziehen, um weniger Verletzungen und Ablehnungen zu erleiden…….

April 2019
Der April brachte einen schönen Jahrestag (Erinnerung an meine Mutter), viele schöne Spaziergänge und Wanderungen und einen Kurzurlaub mit viel Bewegung an der Ostsee/in Lübeck mit Ausflug nach Hamburg (wo ich sowohl die Alster umrundete als auch das Theater besuchte). Es waren nur wenige Tage, aber sie haben meiner Seele gut getan – auch weil es an diese Orte viele schöne Erinnerungen an die Zeit mit meiner Mutter gibt.

Mai 2019
Das bewegendste Erlebnis hatte ich direkt am 1. Mai – ich folgte einem Pilgerrundweg in Lübeck, bei dem ich auch „Sorgensteine“ sammeln und ins Wasser werfen „durfte“. Es war eine merkwürdige Erfahrung.
Heiterer waren dann die Museumsnächte in Frankfurt, Hamburg und Bremen – jede anders, aber immer mit schönen Konzerten und Ausstellungen.

Juni 2019
Das Stichwort des Monats Juni war „Shakespeare“ – in Neuss und in Berlin. Das Wetter war sommerlich warm, sonnig und trocken und so konnte ich in Berlin (während ich wegen einer Konferenz dort war) zwei Open-Air-Aufführungen erleben. Die Aufführung von „Romeo und Julia“ in Berlin-Charlottenburg hat mich sehr begeistert. Und in Neuss habe ich natürlich auch einige Vorstellungen gesehen …..
Es war gleichzeitig auch der Zeitpunkt eines traurigen Jahrestages und mir ist in den Tagen rund um diesen „Jahrestag“ sehr bewußt geworden, daß Twitter für mich persönlich nicht paßt.

Juli 2019
In meiner Erinnerung vermischen sich im Juli die Blaubeeren mit den Sommerkonzerten in der Neanderkirche in Düsseldorf. Beides wunderbar, beides genußvoll und ja, ein paar Sternschnuppen gab es auch (wobei ich mir nichts gewünscht habe).

August 2019
Ich war etwas traurig, daß es dieses Jahr keine Feigenernte gab – aber nach der Rekordernte 2018 war das nicht so schlimm (ein paar reife Feigen konnte ich immerhin im Oktober ernten – ungewöhnlich spät). Ansonsten war es ein schwieriger Monat, ohne daß es konkret irgendwelche negativen Ereignisse gab.

September 2019
Aus beruflichen Gründen (Konferenzbesuch) war ich ein paar Tage in Bremen. Durch Zufall entdeckte ich das Konzert der Hamburger Ratsmusik in Verbindung mit einer Zweig-Lesung (Magellan) im Bremer Übersee-Museum. Eine wunderbare Veranstaltung mit schöner Musik und einem sehr inspirierenden Text von Stefan Zweig. Am Samstag konnte ich mir dann noch einen wunderbaren Nachmittagsspaziergang durch den Bremer Bürgerpark gönnen. Es war so wunderbar warm und sonnig, daß ich zwischendurch auf einer Caféterrasse ein Stück Torte genießen konnte. Eine schöne Erinnerung an Bremen und ein sehr positiver Aspekt in einem ansonsten schwierigen Monat.

Oktober 2019
Im Oktober hatten sich manche Wogen geglättet, es war auch beruflich eine gewisse „Ruhe“ eingekehrt. So konnte ich mir den Besuch des 24h-Stunden-Theaters in Berlin gönnen (danke für den Hinweis an @finenschnabel). Freitagabend, Samstagmorgen und Samstagabend war ich also damit beschäftigt, das „Live-Entstehen“ eines nur einmal gespielten Theaterstücks zu verfolgen. Am Samstag tagsüber habe ich die Ausstellung in der ehemaligen Stasi-Zentrale besucht. Es war ein kalter (aber sonniger) Tag und ich habe mir sehr viel Zeit für die Dauerausstellung im Hof genommen. Es war gut verbrachte Zeit und ich habe sehr viel über die Zeit bis November 1989 gelernt, was ich vorher nicht wußte. Gleichzeitig fand ich es erschreckend, wieviel ich von dieser Zeit nicht wußte (obwohl ich durchaus regelmäßig Zeitungen gelesen und Nachrichten geschaut habe). Am Sonntagvormittag bin ich dann – passend zum Samstagsthema – den Mauerweg entlang gelaufen. Was nicht geplant war – daß ich dabei unzählige Friedhöfe und sogar das Grab von Fontane entdeckte (und mich einem Gespräch mit einem alten Deutschlehrer zum Thema Fontane stellen mußte).
Sehr schön waren auch der geschenkte Besuch in der Theaterkantine sowie die Theatervorstellung „Die Pest“ in Moers (wo das Publikum etwas „unfreiwillig“ mitspielen mußte).

November 2019
Beruflich ein sehr voller und fordernder Monat, gleichzeitig der Monat in dem ich versucht habe, Haus und Garten für den Winter und die Weihnachtsfeiertage vorzubereiten. Es war viel Arbeit und ich bin wenig zum Lesen gekommen. Etwas Theater ging natürlich trotzdem. Enttäuscht hat mich die Lesung mit Narvid Kermani in Düsseldorf – nicht wegen der Texte, sondern weil er sich darüber beklagte, daß Menschen Social Media ohne Angabe ihres echten Namens nutzen. Schön war dann die Ballettaufführung „Dornröschen“ in Essen und besonders Spaß hat es mir gemacht, die Adventskarten zu schreiben und zu verschicken (auch wenn ich bei einigen nicht weiß, ob sie überhaupt angekommen sind). Ich mag solche Überraschungen!
Der November war gleichzeitig der Zeitpunkt, in dem ich mich sehr stark von Twitter zurückgezogen habe. Ich habe zwar noch über eine Konferenz und ein Social-Media-Treffen (Humboldt-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin) getwittert, aber nichts Persönliches mehr berichtet. Es paßt letztlich zu meiner Einschätzung vom Juni. Ich fühle mich nicht zugehörig und es ist irgendwie auch nicht wichtig, etwas aus meinem Leben zu erzählen. Genausogut könnte ich im Bus laute Selbstgespräche führen (was ich bisher jedenfalls nicht getan habe). Ich werde den Account nicht löschen, aber ich nutze ihn derzeit nicht wirklich (außer für fachliche Themen).

Dezember 2019
Viel Musik, viel Genuß (auch kulinarischer Art), viel Ruhe über die Feiertage und viel Zeit zum Lesen. Der Dezember war bis zum 20. Dezember „gut gefüllt“, danach kam dann der Genußteil mit einem schwungvollen und fröhlichen Weihnachtsoratorium in Essen-Werden, Hänsel und Gretel und Nußknacker im Aalto-Theater in Essen. Es fällt mir immer noch schwer, manche Weihnachtslieder mitzusingen – die Erinnerung an meine Mutter ist manchmal zu präsent – aber es war schön, daß ich Heiligabend im Weihnachtsgottesdienst war (in meiner Konfirmationskirche) und ein paar Tage zuvor beim offenen Singen in der Neanderkirche in Düsseldorf. Weihnachten war und ist für mich ein Fest der schönen Erinnerungen und der vielen Genüsse – genau das konnte ich dieses Jahr erleben.

Und morgen? Einkaufen, kochen, ein entspannendes Bad und dann lesen, essen und Musik genießen!

Fröhliche Weihnachten!

Viele Jahre lang habe ich am 23. Dezember den vorletzten Blogbeitrag für meinen persönlichen Adventskalender geschrieben. Dieses Jahr nicht und daher nutze ich diesen Tag nun für einen kurzen Blogbeitrag, um Euch fröhliche Weihnachten zu wünschen.

Schon wieder ist ein Jahr vergangen und Weihnachten steht vor der Tür – eine fröhliche und besinnliche Zeit, die für mich mit vielen schönen Erinnerungen verbunden ist. Vor allem mit vielen Liedern und Rezepten. Kennt Ihr das Lied Fröhliche Weihnachten überall? Das hatte ich heute beim Einkaufen im Kopf – meine Mutter hat es oft gesungen.

Was ich fast jedes Jahr an Weihnachten mache – die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens (A Christmas Carol) lesen (manchmal auch als „Weihnachtslied“ bezeichnet). Ich liebe diese Geschichte und könnte den Anfang sogar mitsprechen ….. Als ich gestern Nachmittag unterwegs war habe ich mich gefragt, was mir die drei Geister wohl zeigen würden, falls sie mich besuchen würden. Eine spannende Frage!

Der Geist der vergangenen Weihnachten würde mich in viele Jahre kleiner aber schöner Weihnachtsfeste zurückbegleiten. Mit meiner immer ein bißchen schief aber laut und gerne singenden Mutter, die schon Wochen vorher Plätzchen und Stollen gebacken hat und viel Zeit in die liebevolle Vorbereitung gesteckt hat. Für das Jahr 2017 würde er mich am Nachmittag des 24. Dezembers in die Dechenhöhle begleiten und mir die ansonsten lesend und viel klassische Musik hörend allein verbrachten Feiertage zeigen.

Der Geist der diesjährigen Weihnachten würde ein paar schöne Konzerte finden – das schwungvolle und fröhliche offene Singen in der Neanderkirche in Düsseldorf (wo mir bei manchen Liedern in Erinnerung an meine Mutter dann doch die Tränen kamen), das ebenso schwungvoll und fröhlich aufgeführte Weihnachtsoratorium in Essen-Werden – wo ich bei dem Spaziergang vor dem Konzert noch an „Markt und Straßen stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus, alles sieht so festlich aus“ dachte, und dann noch an die kommenden Aufführungen von Hänsel und Gretel und Der Nußknacker. Es wird – wie schon die letzten beiden Jahre – ein fröhliches aber ruhiges Fest, das ich ganz allein begehen werde – mit vielen schönen Büchern, viel klassischer Musik und gutem Essen!

Was könnte der Geist der zukünftigen Weihnachten zeigen? Hoffentlich nichts, für das ich mich irgendwie schämen müßte. Aber wohl auch nichts, was irgendwie mit Menschen oder Geselligkeit zu tun hat. Weihnachten ist für mich vor allem ein Fest der fröhlichen Erinnerungen – Gegenwart kann durch fröhliche Erinnerungen fröhlich sein.

Ich wünsche Euch, daß Ihr einen Moment innehalten und überlegen könnt, was die Geister der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnachten Euch erzählen würden. Vor allem aber wünsche ich Euch ein friedliches und fröhliches Weihnachtsfest!

Die dreizehnte Fee

Ihr kennt sie alle, die dreizehnte Fee. Sie ist die Fee (manchmal auch als „weise Frau“ bezeichnet), die im Märchen „Dornröschen“ nicht eingeladen wird. Ungeladen erscheint sie trotzdem zur Feier und spricht einen Fluch aus, der nur durch eine andere Fee abgemildert werden kann.

Ich habe nie verstanden, daß gerade „Dornröschen“ relativ häufig in der Advents- und Weihnachtszeit im Fernsehen gezeigt wird. Ja, es ist ein Märchen. Aber was bitte ist daran weihnachtlich, daß jemand – der noch nie etwas Böses getan hat – nicht eingeladen wird? Das jemand bewußt ausgeschlossen wird?

Warum mir das wichtig ist? Ich teile das Schicksal der „dreizehnten Fee“. Nein, ich bin noch nie irgendwo uneingeladen erschienen und ich habe auch noch nie irgendeinem Menschen etwas Böses gewünscht. Im Gegenteil. Aber ich bin die, die – von meinen Eltern abgesehen – nie jemand im Leben haben wollte, die fast nie eingeladen wurde, die nie bei Verabredungen unbedingt dabei sein sollte. Ich war den Menschen nie wichtig, es fiel nicht einmal auf, daß man vergessen hatte, mich zu informieren oder einzuladen (insoweit paßt auch Charles Perraults Fee in „Die schlafende Schöne im Wald“ – ein französischer Vorläufer von Dornröschen). Wenn ich mal dabei war, dann habe ich nicht gestört, aber es war (wenn es nicht um berufliche Dinge ging) nie wichtig, daß ich dabei war.
Wenn ich doch mal eingeladen wurde, dann enthielten die Einladungen oft Sätze wie „es hat jemand abgesagt, möchtest Du kommen?“ oder „ich feiere dieses Mal größer, möchtest Du kommen?“. Es macht sehr traurig, solche Sätze zu lesen – manchmal oft trauriger als gar nicht erst angesprochen oder eingeladen zu werden. Auch bei Verabredungsversuchen war es meistens nicht besser. „Sag Bescheid, wenn Du mal wieder in X bist….“ war fast immer nur eine Floskel. Solche Nachrichten wurden entweder gar nicht beantwortet oder der „Zusage“ folgte fast immer (manchmal schon am Tag nach der Zusage) eine Absage. Auch „sag mal wann Du Zeit hast“ lief ähnlich. Ich nannte „Termine“, die genannten Termine verstrichen kommentarlos und irgendwann kam dann die Bitte um neue Termine. Ähm ja, also nein.
Besonders schlimm wurde es meistens, wenn Menschen betonten, wie sehr sie mich mögen oder wie interessant sie mich finden. Das war sozusagen der große Anlauf, damit die Verletzung „nein, Dich möchte ich nicht in meinem Leben haben“ so richtig saß. Es führte dazu, daß ich Menschen nicht mehr glauben kann, die mich angeblich „mögen“ oder „interessant finden“.
Ich könnte noch viel erzählen, aber das Wesentliche ist, daß ich für die Menschen, die ich gemocht habe, einfach nicht in ihr Leben gehört habe.

Die dreizehnte Fee hat sich entschieden zu handeln – böse zu handeln. Das war und wäre nie meine Entscheidung. Meine Entscheidung war lange, es immer wieder zu versuchen. Schließlich hat ja jeder Mensch eine Chance verdient und vielleicht irgendwann ….. Aber es wurde nie anders, nie besser. Im Gegenteil. Seit Anfang 2018 ist es so viel schlimmer geworden, daß ich es einfach nicht mehr versuchen kann. Jeder einzelne Versuch war so sinnlos wie Don Quixotes Kampf gegen die Windmühlenflügel (ich mag die Geschichten mit Don Quixote sehr – aber es ist schöner sie zu lesen als sie – im übertragenen Sinne – selbst zu erleben).

Der Pipapoet hat gestern einen sehr schönen Tweet geschrieben: „Eigentlich wünschen wir uns doch alle, von denen, die wir mögen, genauso gemocht zu werden.“
Ja, genau das hätte ich mir gewünscht – aber es sollte halt nie sein. Mittlerweile haben die Verletzungen und Ablehnungen so viele Wunden hinterlassen, daß ich diesen Wunsch nicht mehr habe. Meine Entscheidung ist Rückzug – das beinhaltet auch den fast vollständigen Verzicht auf Treffen/Verabredungen mit Menschen und auf Einladungen. Durch diesen Rückzug habe ich mein Gleichgewicht wiedergewonnen. Keine Begegnungen mit Menschen heißt halt auch keine weiteren Abweisungen und Verletzungen. Ich kann zu den Menschen, die mir flüchtig begegnen, freundlich sein. Ich kann mit ihnen scherzen und lachen, sie trösten und ihnen zuhören. Aber ich kann nicht mehr darüber nachdenken, ob sie einen Platz in meinem Leben haben könnten, denn das wäre nie „gegenseitig“. Denn für die Menschen bin ich die dreizehnte Fee!

Übrigens: weiß jemand, was im Märchen aus der dreizehnten Fee geworden ist?

Persönliche Rituale …..

Bald sind es zwei Jahre – zwei Jahre, daß ich meine Mutter ins Hospiz begleitet und sie sich von mir verabschiedet hat. Sie wollte nicht, daß ich weine und sie wollte auch nicht, daß ich sie auf dem Friedhof „suche“ oder besuche. So habe ich mein eigenes Ritual entwickelt – immer am 1. Dezember unternehme ich etwas besonders Schönes – einen Ausflug, eine Reise, etwas das ich gerne auch mir ihr zusammen unternommen hätte. Letztes Jahr bin ich bewußt in dieser Woche weggefahren. Ich war in Österreich und habe Wien, Salzburg und Innsbruck besucht. Genau vor einem Jahr stand ich schluchzend in der „Stille-Nacht-Ausstellung“ in Salzburg – meine Mutter hat Weihnachtslieder geliebt und „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“ waren ihre Lieblingslieder. Als ich gerade darüber nachgedacht habe ist mir aufgefallen, daß ich – im Gegensatz zu den meisten Menschen – nicht die „schönen“ Dinge feiere, sondern die Abschiede und die Erinnerungen. Meine persönlichen Rituale haben sich verändert. Interessanterweise ist für mich dieser 1. Dezember wichtiger als der eigentliche Todestag (der 5. Dezember) oder der Beerdigungstag (der 13. Dezember). Es war dieser bewußte und auch sehr schöne persönliche Abschied, der mich dazu veranlaßt, etwas Schönes zu unternehmen und mich ganz bewußt zu erinnern.

Früher waren der 4. und der 6. Dezember wichtig – der Barbaratag und der Nikolaustag. Ich weiß noch nicht, ob ich dieses Jahr Kirschzweige besorgen werde – aber selbst wenn, es wird eine Geste ohne Bedeutung sein, rein zum Ausschmücken der Räume. Der 6. Dezember ist bedeutungslos geworden – da, wo es keine Menschen im Leben gibt, da gibt es auch niemanden, den man überraschen könnte (ich habe das früher immer sehr gerne gemacht). Lediglich mit Adventspost kann ich den einen oder anderen Menschen überraschen (wobei ich dieses Jahr ein bißchen spät dran bin).

Ein paar Jahre lang habe ich auch jedes Jahr hier im Blog einen kleinen „Adventskalender“ geführt – täglich einen Beitrag zu einem Oberthema. Es war aber mehr eine – mit viel Arbeit verbundene – persönliche Herausforderung als ein (positives) Ritual, daher verzichte ich in diesem Jahr auf eine neue Runde.

Die Weihnachtstage (die ich selbstverständlich allein verbringe) sind für mich eine Zeit der schönen Erinnerungen – mit viel Zeit für klassische Musik, schöne Bücher und gutes Essen. Ähnlich ist es mit dem Jahreswechsel und mit den Osterfeiertagen – auch das eine Zeit für mich alleine mit klassischer Musik, Büchern und gutem Essen.

Am 9. April feiere ich den Geburtstag meiner Mutter – das ist für mich ein Ausflugstag. 2018 bin ich an der Ruhr gewandert, 2019 bin ich von Düsseldorf nach Kaiserswerth gelaufen – etwas Ähnliches hätte ich auch mit meiner Mutter unternommen. Natürlich mit Einkehr in einem schönen Restaurant und Café.

Neu aufnehmen in die Liste dieser Tage werde ich den 23.06. Es ist der Tag an dem ich 2018 erfahren mußte, daß ich nie eine Liebesbeziehung in meinem Leben erleben werde. Ein weiterer Tag des Abschieds und der (hier allerdings traurigen) Erinnerungen. Ich habe dieses Jahr nichts besonderes an diesem Tag unternommen und das war ein Fehler. Es war nicht gut, diesen Tag zu übergehen – er hat sich auch so deutlich bemerkbar gemacht. Das werde ich nächstes Jahr anders machen – auch wenn ich noch nicht weiß, was ich konkret unternehmen werde. Aber ich werde sicherlich rechtzeitig eine Idee haben.

Ansonsten? Fast nichts. Meinen eigenen Geburtstag feiere ich natürlich mit mir selbst (meistens ebenfalls mit einem Ausflug) – aber niemand muß dieses Datum erfahren, es ist nur für mich wichtig (lustigerweise haben fast alle Menschen, die jemals das Datum erfahren haben, es sofort wieder vergessen). Andere Feiern gibt es nicht, denn da ist ja niemand. Ich führe ein Leben komplett ohne Familienfeiern, fast ganz ohne Geburtstage oder andere Feiern von Menschen. Ja, das ist eine merkwürdige Entwicklung und manchmal bin ich darüber auch einen Moment traurig, schließlich haben gemeinsame Feiern auch etwas Verbindendes. Aber die Zeit, in der eine andere Entwicklung möglich war, ist unwiderbringlich vorbei. So feiere ich denn meine besonderen Tage und schaffe mir selbst schöne Erinnerungen, die die Erinnerungen an die konkreten Tag ergänzen. Ein schönes Ritual, oder?