Schwarz + Weiß = Grau?

Noch bis zum 15.07.2018 läuft im Düsseldorfer Kunstpalast die Ausstellung „Black & White“ – nach eigener Aussage die erste Ausstellung, die bewusst Werke in „schwarz-weiß“ zeigt. Die Ankündigung habe ich vor kurzem am Bahnhof gesehen und heute war ich in der Ausstellung, die ich zugleich beeindruckend aber auch bedrückend fand (was durchaus auch an meiner Grundstimmung liegen kann). Abgesehen von den dort gezeigten Bildern und Installationen ließ mich das Themenfeld „schwarz-weiß-grau“ überhaupt nicht los und so schreibe ich jetzt diesen Blogbeitrag.

Schwarz-Weiß
Schwarz-Weiß ist für mich das Sinnbild der Polarisierung und vielleicht hat mich das Ausstellungsthema (zusammen mit dem Aspekt „Grau“ deshalb so getroffen). Weiter auseinander können Menschen, können Ansichten und Meinungen nicht liegen. In meinem Kopf sind fast nur Bilder und Worte der Gegenüberstellung und Polarisierung: zumindest im westlichen Kulturkreis Trauer (Tod, Beerdigung) und Freude (Hochzeit, Taufe, Diner Blanc), Rassismus, die Spielsteine beim Schachspiel, wo Gewinnen oder Verlieren im Vordergrund stehen, Schwarz-Weiß-Denken als „alles oder nichts“. Aber halt: das sind Gedanken, die bei „schwarz-weiß“ ganz klammheimlich ein „oder“ in die Mitte setzen. Etwas ist entweder schwarz oder weiß, so wie etwas entweder richtig oder falsch ist, traurig oder fröhlich, schön oder häßlich, leise oder laut. Was aber, wenn die Entscheidung nicht so „eindeutig“ ist? Ein Foto von Robert Mapplethorpe machte mich sehr nachdenklich. Das Foto zeigt seitlich den Rumpf eines nackten Mannes mit seinem Geschlechtsteil. Die linke Hälfte des Fotos ist eher hell, die rechte dunkel, die Haut schimmert vor dem hellen Hintergrund dunkel und vor dem dunklen Hintergrund hell. Ist der Fotografierte nun ein weißer oder ein schwarzer Mann? Und ist das überhaupt wichtig? Also wichtig, um das Foto anzuschauen, zu mögen oder abzulehnen?

Diese Frage führt zu einer – fast schon verwegenen – weiteren Frage: Was aber – wenn man wie im Ausstellungstitel – schwarz-weiß nicht als entweder-oder sondern als „Symbiose“ versteht? Ich erinnere mich sofort an das Lied „Ebony and Ivory“ von Paul McCartney und Stevie Wonder. Ein wunderbares Beispiel für das gute und erfolgreiche Zusammenwirken von „schwarz“ und „weiß“. Aber halt: erinnert Ihr Euch an Euren Farbkasten aus der Schulzeit? Was passiert, wenn man schwarz und weiß mischt? Es wird ….

Grau
Grau. Grau – in allen Schattierungen und Nuancen. Wir bekämpfen den Grauschleier in der Wäsche (aber nicht in unserem Leben), wir lassen uns von grauen Herren die Zeit stehlen, grau ist alle Theorie und wir bewohnen graue Städte am Meer. Ja, vor nicht allzu langer Zeit bestätigte uns sogar die Werbung, daß der Tag grau sei (der passende Whiskey für die Nacht war dann – natürlich – schwarz-weiß). Grau wie in grausam.

Und als grausam empfand ich auch die Installation von Hans Op De Beek. Grausam nicht im Ansehen, sondern im Aushalten – weil sie ganz in grau gehalten war. Man durfte diese Installation fotografieren (dies war sogar ausdrücklich erwünscht) und ich füge meine (natürlich schlechten) Fotos hier ein, um einen kleinen Eindruck zu geben.




Nur die Besucher des Raumes sollten Farbe mitbringen. Aber was, wenn man diese Farbe nicht mitbringt? Nicht in sich trägt? Das war es, was mich sehr nachdenklich machte und was ich als sehr bedrückend empfand.

Nicht nur, daß ich im Moment – aus persönlichen Gründen – immer noch an manchen Tagen einen gewissen Grauschleier mit mir herumschleppe (heute mehr als zum Beispiel gestern); nein, ich habe auch den Eindruck, daß Deutschland durch das ständige Aufreiben zwischen schwarz oder weiß einen dichten Grauschleier angenommen hat. Das offene und bunte Deutschland meiner Jugend-, Studien- und ersten Berufsjahre ist mir abhanden gekommen. Nicht weil ich es nicht schätze, sondern weil Menschen über die Geschicke des Landes bestimmen, die mit meinen Vorstellungen von Werten und Vielfalt wenig oder gar nichts anfangen können.

Mehr Farbe?
Es ist gar nicht so leicht, aus dem „Grau“ wieder herauszukommen. Das merke ich sowohl persönlich als auch im Hinblick auf die Gesellschaft. Äußerungen, die vor einigen Jahren noch undenkbar und unsagbar waren, sind heute für viele „normal“ geworden, mich lassen sie erschaudern und mir wachsen buchstäblich graue Haare. Wir achten nicht mehr auf andere Menschen – vor allem nicht auf die anderen, die zum Beispiel nicht deutsch, nicht weiß, nicht christlich oder nicht konservativ sind. Und wir achten nicht nur nicht mehr auf diese Menschen; nein, viel grundlegender wir achten diese Menschen nicht als Menschen mit Menschenrechten. Damit treten wir selbst hinter den Dominikaner (weiße Kutte, schwarze Capa – also auch hier schwarz und weiß) Bartolomé de las Casas zurück, der schon ab 1514 (!) für Menschenrechte eintrat.
Schlimmer noch: Wir lassen zu, daß Menschen auf dem grauen Meer sterben, weil wir Angst haben, daß sie uns und unser Leben verändern. Ja, und? Es ist an uns Veränderung so zu gestalten, daß es möglichst allen Menschen dabei so gut wie möglich geht. Das wir das bisher nicht in ausreichendem Maße – vor allem auf anderen Kontinenten – gemacht haben, ist ein Teil der aktuellen Probleme.
Und: Wer hätte vor vielen Jahrhunderten gedacht, daß wir heute in Deutschland Kartoffeln und Tomaten lieben? Wer hätte gedacht, daß wir gerne Pizza essen? Wer hätte gedacht, daß wir Kaffee und Tee trinken? In der Vielfalt, die gerade auch von außen kommen kann, steckt ein großer Teil der Farbe, die unser Leben – persönlich aber auch in der Gesellschaft – bunt machen kann. Wohlgemerkt – kann! Es ist nicht so, daß wir alle ein buntes und vielfältiges Leben führen müssen. Jeder kann seine eigenen Entscheidungen treffen. Aber ich freue mich immer über neue Entdeckungen – Bücher, Filme, Musik, Restaurants und Kochrezepte, die mir eine neue Farbnuance aufzeigen.

In diesem Sinne: ich möchte das „Grau“ hinter mir lassen und wieder mehr Farbe in meinem Leben haben. Und diese Möglichkeit wünsche ich mir auch für mein Umfeld.

23.02.1868 – W. E. B. Dubois wird geboren

Es ist ein paar Tage her, daß ich den letzten Beitrag geschrieben habe. Die Geburtstage von Charles Dickens und John Ruskin – beide wichtige und unvergessene Kritiker ihrer Zeit – mußte ich ohne Beitrag verstreichen lassen. Doch heute möchte ich den Faden wieder aufgreifen, denn heute ist der Geburtstag von W. E. B. Dubois.

In einem gewissen Sinn knüpfe ich damit sogar an meinen letzten Beitrag vom 03.02.2015 an. Im Beitrag vom 03.02. es um den 15. Zusatzartikel, der in den Vereinigten Staaten für Freiheit und Gleichheit bei den Wahlen sorgen sollte. Aber so wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, so bringt ein rechtlicher Text noch keine Freiheit und Gleichheit. Denn ab 1876 wurden in einigen Staaten Gesetze verabschiedet, die die Rassentrennung im Alltag zementierten – sogenannte „Jim-Crow-Gesetze„, wobei „Jim Crow“ für einen tanzenden, singenden, zufriedenen und unterdurchschnittlich intelligenten Schwarzen stehen soll. Gleichheit und Gleichberechtigung? Nicht denkbar, wenn man die Gedanken von „Jim Crow“ zugrundelegt. Aber was kann man tun, um die Situation entscheidend zu verändern? Zwei Namen prägen diese Diskussion – der aus den Südstaaten stammenden Booker T. Washington und der im Norden geborene W. E. B. Dubois. Ihre Gedanken und Herangehensweisen sind so unterschiedlich wie ihre Lebensläufe und ihre Erfahrungen.

Das Thema „Minderheit“ verbindet Dubois auch mit Einstein. Bereits 1930 bittet Dubois den damals schon berühmten Albert Einstein um einen Essay für seine Zeitschrift „The Crisis“. Der Briefwechsel zwischen Dubois und Einstein ist wenig bekannt und wohl nur in englischer Sprache veröffentlicht.

Was bleibt? Für mich die Frage, ob man Freiheit und Gleichheit ohne Bildung, ohne Selbstbewußtsein und ohne Chancengleichheit erreichen kann.

03.02.1870: Zusatzartikel 15 bringt in den USA ein „neues“ Wahlrecht

Wenn ich an Wahlen denke, dann sind die Begriffe „Freiheit“ und „Gleichheit“ für mich untrennbar verbunden (wobei es noch einige andere wichtige Begriffe gibt).

Für das Thema „Gleichheit“ ist der 03.02.1870 ein wichtiger Tag. Am 03.02.1870 tritt in den USA deer 15. Zusatzartikel in Kraft, der eine Beschränkung des Wahlrechts aufgrund von Rassenzugehörigkeit, Hautfarbe oder vormaligem Dienstbarkeitsverhältnis untersagt. Ein wichtiger Schritt so kurz nach dem Ende des Bürgerkriegs – auch wenn Freiheit und Gleichheit im Alltag damit noch lange nicht erreicht waren, so war dieser Schritt doch wichtig. Dieser Schritt betraf allerdings nur Männer, das Wahlrecht für Frauen wurde (wie auch in Europa) erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt.

01.02.1998 – Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten

Der Schutz von Minderheiten ist ein wichtiges Thema in einer Demokratie. Und genau am 1. Februar 1998 trat das erste Übereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten in Kraft.

Schon die Präambel dieses Übereinkommens führt aus, warum Minderheitenschutz wichtig ist – für den Frieden, die demokratische Sicherheit und für ein Klima von Toleranz und Dialog, in dem kulturelle Vielfalt eine Bereicherung ist. Wichtig sind in dieseem Zusammenhang nicht nur die Diskriminierungsverbote sondern auch die Sprachenrechte und das Recht auf grenzüberschreitenden Kontakt mit Menschen derselben kulturellen Identität.

Das mag uns heute vielleicht einfach und selbstverständlich erscheinen, für den Minderheitenschutz sind dies wichtige Aspekte. Wer mehr darüber wissen möchte, wird hier fündig.

Ein guter Schritt und ein wichtiges Thema – trotzdem sollten wir uns nicht mit dem Blick auf „nationale“ Minderheiten begnügen. Nur da, wo Minderheiten generell ausreichend geschützt sind, ist Meinungsfreiheit und damit Demokratie wirklich möglich.

30.01.1648 – der spanisch-niederländische Frieden

Eine Frage der Perspektive! Wahrscheinlich kann man für jeden beliebigen Tag auf der „Wanderung durch die Geschichte“ gute und schlechte Ereignisse finden, einen positiven und einen negativen Blickwinkel einnehmen. Trotzdem berühren mich die Geschichten, die ich zum heutigen Tag gefunden habe, gerade etwas stärker – gerade unter dem Aspekt „Grundrechtsgedanken“. Es ist eine sujektive Auswahl – denn vermutlich hätte ich noch viele andere Ereignisse und Geschichten finden können.

Auf den ersten Blick überwiegt der traurige, negative Teil. Denn am 30.01.1933 ergreift Hitler die Macht, am 30.01.1943 werden die Geschwister Scholl vom Hausmeister der Münchener Universität verraten und am 30.01.1948 stirbt Gandhi.

Aber ich kann auch anders auf diesen Tag blicken: am 30.01.1648 endet – nach 80 Jahren – der spanisch-niederländische Krieg mit einem Friedensvertrag. Diese Zeit ist für viele von uns vermutlich mit Schillers „Don Carlos“ und Goethes „Egmont“ verbunden, so können wir auch heute mit den Namen Graf von Egmond, Graf von Hoorn, Herzog von Alba und Don Carlos „etwas anfangen“. Mit dem Friedensvertrag vom 30.01.1648 entstehen schließlich die Niederlande und die durchaus „dunkle Zeit“ des 30jährigen Krieges endet im selben Jahr mit dem Westfälischen Frieden.
Auch später kommen dunkle Zeiten und in einer solchen dunklen Zeit werden die Geschwister Scholl tätig. Ihren Mut müssen Sophie und Hans Scholl mit ihrem Leben bezahlen, ihre Geschichte ist jedoch unvergessen – auch heute wird sie noch erzählt und gelesen. Auch Gandhi hat positive Spuren im Leben der Menschen hinterlassen.
Insofern kann ich – positiv – zusammenfassen: ja, es gibt immer wieder dunkle Zeiten, aber es gibt auch immer wieder Menschen, die für andere Menschen eintreten und denen es nicht egal ist, wie unsere Welt und unser Leben aussehen. Ein gutes Fazit für den 30.01.!

29.01.1866 – Romain Rolland wird geboren

Zu allen Zeiten gibt es Menschen, die sich kritisch mit dem Thema „Krieg“ auseinandersetzen. Romain Rolland, der am 29.01.1866 geboren wurde, gehört zu diesen Menschen.

Als unbekannter Student schreibt er 1887 einen Brief an den „großen Schriftsteller“ Tolstoi – und Tolstoi antwortet ihm. Es ist eine Antwort, die in vielerlei Hinsicht bedeutend ist – sowohl der Inhalt (Liebe zur Menschheit) als auch die Haltung (Antwort an einen Unbekannten) beeindrucken und beeinflussen Rolland.

Als der erste Weltkrieg ausbricht befindet Rolland sich in der Schweiz und er beschließt, dort zu bleiben. Aus der Schweiz heraus kritisiert er mit Artikeln die Kriegspolitik Frankreichs und Deutschlands, schon vor dem ersten Weltkrieg hat er mit „Jean Christophe“ ein Werk veröffentlicht, das die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ in Frage stellt. Begeistert werden seine kritischen Anmerkungen in Frankreich und Deutschland nicht aufgenommen (soweit man sie überhaupt wahrnimmt), aber letztlich verleiht man ihm für das Jahr 1915 den Nobelpreis für Literatur.

Warum mir dies wichtig ist? Rolland ist für seine Meinung eingetreten. Er hat mit seinen Werken und Artikeln die Menschen sicherlich verstört, aber ganz bestimmt hat er auch bei manchen Menschen Gedanken in Bewegung gebracht. Und viele seiner Worte sind auch heute noch richtig.

28.01.1573 – der Vorhang öffnet sich für die Religionsfreiheit

Ja, es stimmt – am 28.01.1573 wurde in Polen – als „Folge“ der Bartholomäusnacht – tatsächlich die Religionsfreiheit eingeführt. Das Dokument, das diesen Passus enthält, wurde 2003 sogar von der Unesco in das Weltkulturerbe aufgenommen.

Erstaunlich – nämlich erstaunlich wichtig – ist aber auch die Folge dieser Entscheidung: diese Freiheit war für viele attraktiv und trug zur Entwicklung von Wissenschaft, Kunst und Buchdruck bei.

Eine mutige und weitblickende Entscheidung in der damaligen Zeit, die von anderen Staaten in Europa so nicht übernommen wurde – eine Entscheidung für die Freiheit und für eine positive Entwicklung. Was können wir aus diesem Blickwinkel für unsere Fragen lernen?

Grundrechtsgedanken …..

Es ist eine merkwürdige Zeit, in der wir gerade leben – aber vermutlich haben Menschen zu allen Zeiten ihre eigene Zeit als merkwürdig betrachtet.

Wir haben in Deutschland und Europa viele Jahre des Friedens verbracht – aber das Thema Krieg ist mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine „näher“ gerückt. Wir erinnern uns – in Museen, Ausstellungen, Gedenkveranstaltungen – an die Schrecken der beiden Weltkriege und doch bin ich nicht sicher, ob wir heute wirklich klüger handeln. Wir haben ein Grundgesetz und eine europäische Menschenrechtscharta, aber haben diese Rechte wirklich noch den Wert, den sie vor 10 oder 20 Jahren hatten? Können wir uns heute wirklich noch auf unsere Grundrechte – insbesondere auf Meinungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung – berufen?

Das sind Fragen, die mich in den letzten anderthalb Jahren immer wieder beschäftigt haben. Hier möchte ich über diese Fragen nachdenken – und dabei auch ein paar historische „Funde“ einbeziehen.