Die 130.
Wieder eine „runde“ Zahl.
Der Duft einer vergangenen Zeit.
Ich erinnere mich an ein Gericht, dass es in meiner Kindheit relativ häufig gab – wir nannten es Sterz. Kartoffeln werden zunächst als Salzkartoffeln gekocht, dann wird das Wasser abgegossen, etwas Maisgrieß (und auch etwas Mehl) wird dazu gegeben und das ganze mit einem Stampfer gestampft, bis die Masse sich „löst“ (es läßt sich schwer beschreiben), dann kann das Ganze auf einen Teller gestürzt werden. Es war die Beilage zu Gulasch, zu Gerichten mit Saucen aber auch zu Salatsuppe. Als ich gestern nach der 130 suchte und dieses Buch mit 130 Rezepten für Sterz und Polenta sah, erinnerte ich mich daran, wie lange ich das Gericht nicht mehr gemacht oder gegessen habe. „Mein“ Rezept ist nicht in dem Buch – es war eher die Erinnerung, die mit dem Wort „Sterz“ verbunden ist.
Auch mit Erinnerungen (vor allem zukünftigen Erinnerungen) verbunden ist das Buch Opa erzähl mir von dir. Die 130 Fragen könnte man gut als Grundlage für ein Gespräch nehmen (die Tatsache, dass die Anrede in der Leseprobe zwischen Du und Sie wechselt, irritiert mich aber sehr).
Mit Adolph von Menzel verbinde ich Erinnerungen an meine Jugend. Ich hatte in Schwerin (ja, damals als es noch DDR war) ein Buch über diesen Maler gekauft (ohne zu wissen, wer das war – das Buch muß mich irgendwie angesprochen haben). Zurück in Wuppertal habe ich darin geblättert und war sehr begeistert. Mit 18 (es gab immer noch die DDR) bin ich von Schwerin aus mit meiner Cousine nach Potsdam gefahren – auf den Spuren des berühmten Flötenkonzerts. Auch danach habe ich immer wieder Ausstellungen mit den Bildern von Adolph von Menzel besucht (als ich in Washington D.C. war, war dort auch gerade eine Ausstellung). Das Buch mit den 130 Bildern ist daher eine schöne Erinnerung an die vielen „Begegnungen“ mit diesem Maler.
Erinnerung ist nicht immer schön, aber oft ist sie notwendig. Das gilt sicher auch für das Buch über 130 Jahre Kriegsfotografie. Kein Buch, das ich unbedingt in meiner Nähe haben möchte, aber trotzdem wichtig. Wie und mit welchen Bildern werden wir uns in ein paar Jahren an die aktuelle Zeit erinnern?
Welches Wissen haben wir eigentlich schon verloren? Auch das ist eine wichtige Frage. Immer wenn ich in den letzten Jahren irgendwo etwas gepflückt oder gesammelt habe, wurde ich von Menschen angesprochen, was ich da eigentlich mache oder sammle. Mein Wissen in diesen Dingen ist nicht besonders groß, leider. Deshalb ist auch das Buch über 130 essbare Beeren und Pflanzen wichtig – gegen das Vergessen.
Besonders charmant ist natürlich das Buch mit dem Titel Vergessene Gesten: 130 Volten gegen den Zeitgeist. Das Reisen mit einer Büchertasche (nur eine?) gehört genauso dazu wie die Nutzung des Wortes „eigentlich“. Eigentlich erstaunlich, oder?
Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen Abend mit schönen Erinnerungen.