Die Januar-Aufgabe der Booklover-Challenge lautete „Lies ein Buch, das etwas mit Schnee und Eis zu tun hat, ob Handlung oder Cover.“ Ich habe mich für das Buch „Wintering“ von Katherine May entschieden, das 2020 veröffentlicht wurde.
„Wintering“ ist ein Buch über die schwierigen Phasen im Leben eines Menschen beziehungsweise über unseren Umgang mit diesen Phasen. Ausgehend von ihrer persönlichen Geschichte berichtet May, wie sie „ihren“ Winter erlebt (der zeitlich tatsächlich passend zur Jahreszeit passiert) und spricht mit einigen besonderen Menschen über ihr Erleben des Winters – des persönlichen Winters aufgrund von Schicksalsschägen aber auch des jahreszeitlichen Winters.
May vergleicht die unterschiedlichen Phasen, die wir immer wieder im Leben erleben, mit den Jahreszeiten. Ihr Gedanke ist, dass wir – unabhängig von der tatsächlichen Jahreszeit – selber eine Phase des Winters durchleben können, in der wir uns zurückziehen, auf bestimmte notwendige und reduzierte Funktionen beschränken, um dann – in unserem Frühjahr wieder (wie die Natur) aufzublühen. May hat sich daher intensiv mit Vorbereitungshandlungen, Winterritualen und dem Erleben des Winters in unterschiedlichen Kulturen und Orten beschäftigt.
Es gab in diesem Buch einige Gedanken und Themen, die mich persönlich angesprochen haben. Dementsprechend hat vor allem der vordere Teil des Buches einige pinkfarbene Post-Its abbekommen, damit ich diese Stellen auch wiederfinde. Ein Beispiel: der Herbst bringt Veränderung und damit auch den Verwandten der Veränderung, die Sterblichkeit (pinker Klebezettel an genau dieser Stelle!). Gerade den Gedanken der Sterblichkeit als Teil der Veränderung finde ich wichtig. Der Winter des Lebens kann eine schwierige Zeit sein, in der man Ruhe und Rückzug benötigt, er kann aber auch den Lebensabend beschreiben, in dem Dinge irgendwann ganz normal zu Ende gehen. Dieser zweite Aspekt kommt im Buch „so“ allerdings nicht vor, es würde allerdings auch nicht zur Absicht des Buches passen.
Schön fand ich diesen Satz, der auf Seite 9 im Kapitel „Indian Summer“ steht: „Everybody winters at one time or another; some winter over and over again.“ Es ist ein mutmachender und positiver Satz. Er verkennt nicht, dass nach einem „Winter“ nicht alles gut wird, denn er betont ja sehr ausdrücklich die Möglichkeit, das manche Menschen wieder und wieder den Winter erleben – er betont aber auch, dass wir (in der Regel) „überwintern“, den Winter (sowohl persönlich als auch als Jahreszeit) überstehen. Im Kapitel „Hot Water“ (über die wunderbare blaue Lagune in Island) im Abschnitt „Oktober“ formuliert May das noch konkreter (Seite 41): „That’s what you learn in winter: there is a past, a present and a future.“ Dazu paßt (im selben Kapitel) der Gedanke, dass die Kälte heilende Kräfte haben könnte (Seite 46).
Faszinierend fand ich den Abschnitt über Halloween – nicht wegen der mittlerweile skurrilen Bräuche – sondern weil im Winter auch der Gedanke an Geister, Gespenster oder Tote einen anderen Raum einnimmt. Es ist die eine Seite darüber nachzudenken, ob beziehungsweise was von uns bleibt, wenn wir sterben. Es ist eine andere Frage (die im Winter eher Raum hat), ob die Toten uns (die Lebenden) „vergessen“. Ich habe dazu meine persönliche Ansicht (und sogar etwas zu geschrieben).
Ich habe in dem Buch (auf dem Cover sind übrigens Schneeflocken!) viel über Winterbräuche und Rituale gelernt und gelesen. Ich mag den Winter. Ich verbinde damit die vielen Lichter im Dezember, in normalen Jahren den Besuch von Weihnachtsmärkten und den Genuß von Glühwein, den Duft nach Zimt und Plätzchen, die schöne Erinnerung an meine Großmutter und meine Mutter (die beide im Dezember gestorben sind), die Hoffnung auf Schnee, den wunderbar dunkelblauen Himmel in kalten Nächten. Die einzelnen Kapitel haben meine Liebe zum Winter mit (altem) Wissen verbunden – was schön ist. Ich weiß auch, dass die Natur den Winter braucht, um wieder zu blühen und gedeihen. Mein liebster Frühlingsgruß im Garten, der Bärlauch, braucht zum Beispiel Kälte und Frost, um gut zu gedeihen.
Interessanterweise fühlte ich, dass sich meine Gedankenwege beim Lesen von denen der Autorin trennten. Für mich waren und sind die Wintermonate eine schöne Zeit, zu der bestimmte Dinge gehören. Dieses Wissen auszuweiten war toll. Aber: ich merkte mehr und mehr, dass die Metapher des persönlichen Überwinterns für mich nicht paßte. Ich bin keine Bärlauchpflanze, die irgendwann im Sommer alles einzieht, um sich im kalten Boden auf ein gutes Jahr vorzubereiten. Ich bin auch kein Baum, der im Herbst die Blätter abwirft und im Frühjahr neu ausschlägt. Ich fühle mich auch nicht so. Der hintere Teil des Buches hat daher keine pinken Post-Its. Da war nichts mehr, was mich wirklich „getroffen“ hat.
Fazit: für mich war „Wintering“ ein schönes Buch über die Wintermonate und die mit diesen Monaten an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Kulturen verbundenen Bräuche und Rituale. Es war gut zu lesen und ich kann den Bericht der Autorin gut nachvollziehen. Aber ich würde über mich nicht sagen, dass ich überwintere, wenn ich eine persönlich schwierige Zeit durchlebe. Gleichwohl kann dieser Gedanke für andere Menschen ein guter Gedanke und Weg sein, um in ein gutes Leben zurückzufinden. Als „Mutmachbuch“ für andere Menschen kann es daher ein gutes Geschenk sein.