Es befinden sich erstaunlich viele Autorinnen und Autoren, deren Vorname mit „E“ beginnt, in meinen Bücherregalen. So mußte ich eine Auswahl treffen – entschieden habe ich mich für Evelyn, Edward und Eric-Emmanuel.
Anfang September habe ich in Berlin an einem wunderbar sommerlich warmen Abend die Streitschrift von Evelyn Roll „Wir sind Europa“ gelesen – eine Streitschrift gegen den Nationalismus. Interessanterweise geht es in der Streitschrift nicht nur „gegen“ etwas, sondern auch darum, wie wir für unsere Vorstellung von Europa etwas tun können. Gerade heute – einen Tag nach der Bundespräsidentenwahl in Österreich und nach dem Referendum in Italien – erscheint mir dieses Thema sehr wichtig.
Es gibt zwei Aspekte, die ich in Zusammenhang mit dem Buch von Evelyn Roll aufgreifen möchte: den Aspekt des Nichtwissens über die anderen europäischen Länder und den Aspekt der Kritik an der aktuellen Europäischen Union.
Das Nichtwissen über die „anderen“ empfand ich dieses Jahr an zwei Stellen: zum einen in einem Kurs, als ein Teilnehmer mich fragte, was die Griechen eigentlich über Datenschutz denken – eine Frage, die ich (leider) nicht beantworten konnte; zum anderen im Buch von Evelyn Roll, wo sie genau dieses Manko anspricht. Wir denken und fühlen 28 unterschiedliche Europas – jedes Land hat seine eigenen Gedanken und seine eigene „Europageschichte“, seine Unzufriedenheiten und Konflikte mit dem Thema „Europa“. So ist es oft auch einfach, Schwieriges oder Nichtfunktionierendes auf „Europa“ abzuschieben. Es sind dann immer „die anderen“. Wir sprechen nicht gemeinsam und grenzübergreifend als Menschen über Europa, wir führen tatsächlich weitestgehend nationale Diskussionen. Dies kann man auch am Thema „Digitalcharta“ erkennen. Warum haben ausschließlich Deutsche einen Entwurf zu einem solchen Thema erstellt? Warum nicht von vornherein eine gemeinsame europäische Arbeit?
Hier kommen wir zum Thema „Kritik“. Es gibt einige Punkte, die mir zur Zeit am Thema „Europa“ oder konkreter an der „Europäischen Union“ nicht gefallen. Das heißt nicht, daß ich eine Europagegnerin geworden bin – aber das aktuelle Europa erreicht mein Herz nicht, im Gegenteil – oft finde ich die Vorgehensweise herzlos und traurig. Wie könnten wir Europa so verbessern, daß es wieder „gut“ wird?
An dieser Stelle kommt Edward de Bono mit seinen „Six Thinking Hats“ ins Spiel. Mit den „Denkhüten“ von Edward de Bono steht nicht eine Analyse oder Bewertung im Vordergrund, nicht ein Suchen und Finden von Fehlern, sondern eine konstruktive Betrachtung aus unterschiedlichen Richtungen. Was würde passieren, wenn Menschen aus allen Ländern Europas sich gemeinsam Europa und europäische Themen mit den „Denkhüten“ anschauen? Würden wir dann nicht anders mit diesem Thema umgehen? Es wäre ein spannender Versuch!
Vielleicht würden wir dann tatsächlich feststellen, daß es nicht nur „uns“ (also „uns Deutsche“) gibt – sondern, daß wir gemeinsam Europa sind. Dazu würde dann gut das etwas verstörende Buch von Eric-Emmanuel Schmitt „Die Schule der Egoisten“ passen. Oder ist Europa etwa nur ein Gedanke, der meinen Vorstellungen entsprungen ist?
Wie auch immer: ich wünsche Euch/Ihnen einen fröhlichen und erkenntnisreichen 5. Dezember!